Cover
Titel
Death in Berlin. From Weimar to Divided Germany


Autor(en)
Black, Monica
Reihe
Publications of the German Historical Institute
Erschienen
Anzahl Seiten
324 S.
Preis
£ 50,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jakob Böttcher, Martin-Luther-Universität Halle

In ihrem Buch „Death in Berlin“ untersucht die US-amerikanische Historikerin Monica Black den Wandel von Perzeptionen und Praxen der Berliner Bevölkerung im Umgang mit dem Tod. Der von ihr hierfür gewählte Ort und der Zeitraum, Berlin vom Ende der Weimarer Republik bis zum Mauerbau, machen das Buch zu einem ambitionierten Projekt. Mit ihrer Fragestellung, wie vor dem Hintergrund zweier Weltkriege die Erfahrung des Massensterbens in Krieg und Holocaust sowie die politischen Systemwechsel den alltäglichen Umgang mit dem Tod beeinflussten, versucht sie einen Rahmen zu entwickeln, der längere kulturelle Traditionslinien ebenso berücksichtigt wie die politischen Umbrüche. Sie versucht damit das Thema ‚Tod in Deutschland im 20. Jahrhundert‘ in einem erweiterten kulturellen Kontext zu stellen, der bisher von der Forschung stark auf die Kriege und den Holocaust beschränkt wurde oder sich auf den politischen Totenkult beschränkte. Black erfasst dagegen die durch den Krieg unausweichlich werdende Präsenz des Todes auch in seiner alltags- und kulturgeschichtlichen Dimension.

Ihr methodisches Vorgehen beschreibt sie als chronologisch-narrativ, die Quellengrundlage wird jedoch nicht weiter erläutert. Ein Blick in das Quellenverzeichnis verrät jedoch, dass Black vorrangig Berliner Archive konsultiert hat. Der Hauptteil des Buches gliedert sich in sechs chronologisch aufeinander folgende Kapitel, in denen sie verschiedene Facetten des Themenkomplexes, gestützt auf das vielfältige Quellenmaterial, beleuchtet. Im ersten Kapitel nähert sich Black zunächst dem Totenkult in Berlin um 1930. Sie verweist dabei auf die Durchmischung verschiedener Traditionen, die aus der starken Fluktuation der Bevölkerung und der Zuwanderung aus allen Teilen Deutschlands herrührt, auf das Fortwirken alter Bräuche und auf das gleichzeitige Sichtbarwerden säkularer Trends der Moderne. Anschließend leitet sie zu den Orten des Todes über, zu Friedhöfen, beschreibt Aspekte der Begräbniskultur und differenziert dabei zwischen Protestanten, Katholiken und Juden. Den Erfahrungshintergrund des Ersten Weltkrieges sieht sie ursächlich für subtile Veränderungen in der Ästhetik der Friedhofsgestaltung. Sie neigt jedoch dazu, die Bedeutung des Weltkrieges bei der Gestaltung von Friedhöfen und Friedhofsordnungen überzubewerten, denn sie unterschätzt die sozialreformerische Dimension von Stadtplanungskonzepten der 1920er-Jahre, die auch die Anlage von neuen Friedhöfen mit einschloss. Auch Vorstellungen vom Tod und einem möglichen Leben danach werden am Beispiel einer zeitgenössischen Untersuchung eines Berliner Pastors über Glaubensvorstellungen der Arbeiterschaft behandelt. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Abschnitt über das Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges. Hier beschreibt sie die Schwierigkeiten der Weimarer Republik, einen allgemein akzeptierten Modus des Gefallenengedenkens zu finden, den Tod auf dem Schlachtfeld in einen positiven politischen Kontext der Republik einzuordnen. Die permanente Präsenz der Toten und ihre politische Instrumentalisierung durch die politische Rechte hätte dann, so Black, die Vereinnahmung des Totengedenkens durch die Nationalsozialisten ermöglicht.

Das Kapitel „Nazi Ways of Death“ behandelt verschiedene Ansätze des „Dritten Reiches“, Rituale und die Sinnstiftung vor allem des soldatischen Todes in die neuen Zusammenhänge der NS-Ideologie einzufügen. Das betraf beispielsweise den nationalsozialistischen Heldenkult, der das Sterben im Krieg zum erstrebenswerten Opfer für die „Volksgemeinschaft“ verklärte, oder Pläne, die Gefallenen nach dem Krieg in monumentale Grabstätten umzubetten, die als virtuelle Festungswälle zugleich die umkämpften Grenzen eines großdeutschen Reiches symbolisieren sollten. Das dritte Kapitel wendet sich dann der für die Berliner Bevölkerung alltäglich werdenden Erfahrung des Sterbens unter den Bedingungen des Luftkrieges und der Eroberung der Stadt durch die Rote Armee zu. Die steigende Zahl der zivilen Opfer machte die Beseitigung der sprichwörtlichen Leichenberge zu einer logistischen Herausforderung und die Konfrontation mit dem Tod zu einer Alltagserfahrung. Besonders hier gelingt es Black herauszuarbeiten, wie unter den Bedingungen des Krieges die gewohnten Traditionen und ethischen Verpflichtungen der Totenehrung mit den Sachzwängen des Kriegsalltags in Konflikt gerieten.

Die unmittelbare Nachkriegszeit fasst Black unter der Überschrift „Death and Reckoning“ zusammen. Mit dem Ende der Kampfhandlungen musste das Massensterben, die Erfahrung der Kriegsniederlage und die Erkenntnis der Verbrechen des Nationalsozialismus sowie das jeweils individuelle Schicksal psychologisch verarbeitet werden. Das Bedürfnis vieler Berliner, nach Kriegsende die häufig nur provisorischen Gräber der Kriegstoten in würdige Grabstätten zu überführen, deutet Black auch als Reaktion, den eigenen Toten das Schicksal des anonymen (Massen-)Grabes sowie die damit verknüpften Assoziationen mit dem Schicksal der NS-Opfer zu ersparen. Damit sei zugleich die von den Nationalsozialisten etablierte Kategorie einer Zugehörigkeit zur „Volksgemeinschaft“, die den Anspruch auf ein würdiges Begräbnis rechtfertigte, übernommen worden. Hierin werde deutlich, „how profoundly their culture of death had been transformed not only by the experience of mass death but also by Nazism and genocide“ (S. 177). Diese Einschätzung klingt jedoch nicht zwingend plausibel. Das Bedürfnis, seine Angehörigen individuell zu beerdigen, lässt sich mit herkömmlichen Bestattungsriten erklären und war auch ohne die Erfahrung von Krieg und Holocaust kulturell etabliert.

Nach der Teilung der Stadt dienten die Gräber der Kriegstoten als ein Bindeglied zwischen Ost und West. Für die betroffenen Berliner stellten sie persönliche Erinnerungsorte jenseits der Grenze dar. Die Auswirkungen auf kulturelle Praktiken und Deutungen des Todes durch die Gründung der beiden deutschen Staaten untersucht Black in den letzten beiden Kapiteln. Einen grundlegenden Wandel im alltäglichen Umgang mit dem Tod kann Black für das geteilte Berlin vor dem Mauerbau nicht feststellen. Dafür ist der untersuchte Zeitraum vermutlich zu kurz. Der Austausch zwischen Ost- und Westberlin war noch zu intensiv für eine unabhängige Entwicklung. Unterschiedliche Pfade deuteten sich aber bereits an, etwa in der durch die offizielle DDR-Staatsdoktrin bedingten Ehrung gefallener Rotarmisten. Die Pflege der Gräber von Wehrmachtsangehörigen konnte im Osten dagegen nur durch die Kirche oder die private Hand erfolgen. In Westberlin und der Bundesrepublik etablierte sich hierbei der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ als maßgeblicher Akteur. Mit der Wiedereinführung des Volkstrauertages war er auch für die Gestaltung eines einheitlichen Gedenktages verantwortlich. In der DDR blieb dem Verein der Zugang zu den Gräbern jedoch verschlossen, der Umgang mit Kriegsgräbern nahm von nun an in Ost und West unterschiedliche Wege.

Insgesamt hinterlässt das Buch von Monica Black einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen hat es die Autorin verstanden, sich des komplexen Themas aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. Gerade die alltagsgeschichtlichen Passagen stellen eine Bereicherung dar. Die verschiedenen Zugänge verbinden sich jedoch nicht zu einem überzeugenden Gesamtbild. Die eingangs nur sehr knapp erläuterte Methodik erweist sich insofern als unzureichend, als eine stärkere Reflexion des eigenen Vorgehens geholfen hätte, das verfügbare Material zu ordnen und in einen strukturierteren argumentativen Zusammenhang zu stellen. Als verbindendes Glied dient lediglich nur das Rahmenthema „Tod“. Überleitungen wirken bisweilen konstruiert, und die Argumentation weicht manchmal der Spekulation. So hätte es sicher gut getan, zwischen dem natürlichen Tod und dem gewaltsamen Kriegstod, zwischen dem politischen Totenkult und dem Tod als eher privatem Ereignis argumentativ zu unterscheiden. Dies hätte eine Diskussion darüber ermöglicht, ob eher die subjektive Erfahrung des Massensterbens oder vielmehr der veränderte Sinnzusammenhang des gewaltsamen Sterbens im Krieg ursächlich für den beobachtbaren Formenwandel des Totenkultes war. Irritierend ist auch, dass die Autorin nur in eingeschränktem Umfang die verfügbare deutschsprachige Literatur zur NS-Geschichte oder zur Geschichte der DDR herangezogen hat. Insgesamt betrachtet bleibt das Buch damit hinter seinen Möglichkeiten zurück, bietet aber dennoch zahlreiche Anregungen für weitere Studien.

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