Christoph Hein

Glückskind mit Vater

Roman
Cover: Glückskind mit Vater
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
ISBN 9783518425176
Gebunden, 527 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Was verdankt ein von der Mutter "Glückskind" genannter Sohn dem Vater? Der ist in Heins neuem Roman eine unausweichliche Antriebskraft. Jedoch in einem alles andere als positiven Sinn: Der Sohn, in der entstehenden DDR lebend, muss seit seiner Geburt im Jahr 1945 vor dem kriegsverbrecherischen toten Vater sein ganzes Dasein im Fluchtmodus zubringen: psychisch, physisch, beruflich, geografisch, in Liebesdingen. Es gibt zahlreiche Versuche, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten: Er nimmt einen anderen Namen an, will in Marseille Fremdenlegionär werden, reist kurz nach dem Mauerbau wieder in die DDR ein, darf dort kein Abitur machen, bringt es gleichwohl, glückliche Umstände ausnutzend - Glückskind eben -, in den späten DDR-Jahren bis zum Rektor einer Oberschule - fast. Am Ende erkennt er: Eine Emanzipation von der allgemeinen und der persönlichen Geschichte ist zum Scheitern verurteilt. Durch solche Verkettung von Vergangenheit und Gegenwart wird aus dem Glückskind ein Unheilskind. Gerade dadurch verkörpert er wie in einem Brennspiegel bis ins kleinste Detail die unterschiedlichsten Gegebenheiten Deutschlands in den politischen, gesellschaftlichen und privaten Bereichen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.04.2016

Der späte Christoph Hein schreibt einfacher und das steht ihm gut, findet Rezensentin Judith von Sternburg nach der Lektüre des neuen Romans "Glückskind mit Vater". Die Geschichte, die Hein erzählt, ist ohnehin kompliziert genug, meint die Kritikerin: Konstantin, Sohn eines NS-Verbrechers, den er nie kennenlernte, entgeht durch einige Glücksfälle zwar der "Sippenhaft" in der DDR, wird aber weder zum Abitur zugelassen, noch darf er ein Filmstudium beginnen. Trotz privatem Unglück verbittert Heins Held nie, fährt die Rezensentin fort. Ein wunderbarer,"Wilhelm-Meister-mäßiger" Roman, der das DDR-Leben vor Augen führt, schließt die Kritikerin, die gern die ein oder andere zu tiefenpsychologisch geratene Passage verzeiht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2016

Christoph Heins neuer Roman "Glückskind mit Vater" hat Rezensent Stephan Speicher nicht gerade umgehauen. Die Geschichte um Konstantin, der in der DDR als Sohn eines zum Tode verurteilten SS-Mannes aufwächst, mit allerlei Unrecht, Zurücksetzungen und Benachteiligungen zurecht kommen muss und im Gegensatz zu seinem Bruder ein Gespür für die Erbschuld und die Sühne entwickelt, verläuft ganz ohne Höhepunkte, Katastrophen oder Krisen, konstatiert der Kritiker. Das stört vor allem mit Blick auf Heins ruhigen Erzählton nicht weiter, sorgt aber auch nicht für größere Spannung, meint Speicher, dem die ein oder andere Formulierung aber doch zu nachlässig erscheint.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2016

Rose-Maria Gropp kann diese Figur nicht vergessen aus Christoph Heins neuem Roman, diesen Boggosch, dessen gehenkter Vater, ein hochrangiger SS-Mann ihm anhaftet wie Spucke. Ein Leben lang, wie Gropp erfährt. Schon darum taugt das Buch nicht als Entwicklungsroman, meint sie. Als zeitgenössischer Bildungsroman, komischer Schelmenroman und die mythischen Schichten der conditio humana ausmessender, kluger und packender Abriss der doppelten deutschen Geschichte seit '45 dafür umso mehr, findet Gropp.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.03.2016

Christoph Heins Roman sei bevölkert von Typen, schreibt Paul Jandl, wie sie der Kritiker aus Alfred Döblins Werken oder aus "Der brave Soldat Schwejk" kennt. Diese Menschen seien es, die "Glückskind mit Vater" nach Ansicht Jandls zum Leben erwecken, "die ihn nach Hoffnung, Lethargie und Dederon riechen lassen", jener Kunstfaser aus der DDR. Mit den bekannten autobiografischen Väterromanen deutscher Schriftsteller sei Heins Buch keineswegs gleichzusetzen, so Jandl. Es erzähle eine zwar auf wahren Begebenheiten beruhende, aber doch beispielhafte Lebensgeschichte der Nachkriegszeit: die von Konstantin Boggosch, der seinen SS-Offiziersvater nie kennenlernte, aber unter dessen langem Schatten zu leiden hat. Der Autor schreibe altmeisterlich, merkt der Rezensent an, und so entstehe ein "Roman in Sepia, eine Dystopie des Politischen und des Privaten".
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